Grönland : Zum Heulen schön!

Grönland : Zum Heulen schön!

Begegnungen mit Menschen anderer Kulturen und Begegnungen mit Tieren auf Reisen begeistern mich seit jeher. Ich ertappe mich oft mit einem dicken Kloß im Hals, wenn mir fremde Menschen mit wunderbaren und unerwarteten Gesten begegnen oder ich außergewöhnlichen Erlebnissen beiwohnen darf. Landschaften ist es bisher nur selten gelungen, mich vor Rührung oder Überwältigung zum Weinen zu bringen, doch auf meiner letzten Reise ist es dann wieder mal passiert.

Ich kann es nicht genau erklären, weshalb mich die eine Landschaft zu Tränen rührt und die andere nicht. Vielleicht hat es was mit Magie zu tun. Die Magie eines Ortes kann etwas mythologisches beinhalten, so war es ganz bestimmt am Ayers Rock oder Uluru, wie der berühmte Monolith im Landesinneren Australiens heutzutage offiziell genannt wird. Es ist schon lange her, ich war dort mit einer Universitätsgruppe und erinnere mich, dass wir Uluru besteigen mussten (es war Teil einer geografischen Exkursion). Dies sollte man aus Respekt vor den Ureinwohnern unterlassen, denn für die Aborigines ist Uluru ein Heiligtum, das nicht von Menschen betreten werden darf. Heute würde ich es also nicht mehr tun.

Meine Mitreisenden waren nahezu allesamt begeisterte Bergsteiger und ihr einziges Bestreben war es, als erster auf dem „Gipfel“ anzukommen. Ich hingegen konnte Bergsteigen noch nie etwas abgewinnen,Eisberg1_1 war jedoch schon immer von diesem Felsen fasziniert gewesen und konnte es kaum fassen, dass ich ihn nun mit eigenen Augen sehen und seine rostrote Oberfläche mit meinen Händen begreifen konnte. Der Aufstieg war steil und nachdem ich das anstrengende erste Stück hinter mich gebracht hatte, setzte ich mich auf einen warmen Vorsprung und blickte auf die endlose Weite des australischen Outback. Kata Tjuta, die andere herausragende Geländeform dieser Gegend, leuchtete ebenso rostrot in der flirrenden Hitze des Tages und schien zum Greifen nah, obschon sie doch mehr als 50 Kilometer entfernt liegt. Ich ertastete die Wärme und die raue Oberfläche Ulurus und plötzlich sickerten Tränen in meine Augen. Das war das erste Mal.

Nun ist es mir wieder passiert und zwar in Grönland, genauer gesagt in Ilulissat, der Stadt, die in der Diskobucht am Rande des Kangerlua-Eisfjordes liegt, etwa 250 Kilometer nördlich des Polarkreises.

Einige Fakten zum Kangerlua-Eisfjord: Er wird von einem mächtigen Gletscher gespeist, der etwa 10% aller Eisberge Grönlands produziert und das entspricht immerhin der unglaublichen Menge von 20 Millionen Tonnen Eis pro Tag. Aufgrund seiner gewaltigen Ausmaße und seiner natürlichen Schönheit wurde der Kangerlua-Eisfjord 2004 zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt. Er erstreckt sich über 40 Kilometer und ist sieben Kilometer breit. Die Fließgeschwindigkeit des Gletschers beträgt laut neusten Messungen rund 40 Meter pro Tag.

Das klingt schon Abbruchkante_1alles sehr beeindruckend und ich war sozusagen vorgewarnt, dass es eine wundervolle Landschaft sein würde. Aber dennoch war ich nicht im Mindesten darauf vorbereitet wie atemberaubend - im wahrsten Sinn des Wortes - ich es dann fand.

Die ersten Eisberge, die ich aus dem kleinen Fenster der Dash7 von Air Greenland entdeckte, verursachten einen kurzen Schauer der Freude, der sich dann beim Blick aus meinem Hotelfenster wiederholte.

Denise Crocoll