Und auch ich träume von Frieden

Und auch ich träume von Frieden

- meine Reise nach Palästina -


 

Und da stand ich nun in Hebron, West Bank, wovon ich gehört hatte, dass es eine der gefährlichsten Städte des gesamten Westjordanlandes sei. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, mein Kopf hatte die Eindrücke der letzten Tage kaum verarbeitet - die 8 Meter hohen Mauern, die die West Bank von Israel trennen, das Chaos, die Armut, Hebron_4die von Stacheldraht umzäunten Grenzanlagen und die täglichen Ungerechtigkeiten der israelischen Soldaten, all das hat mich so sehr getroffen, dass ich am liebsten sofort wieder nach Deutschland zurückgekehrt wäre.

Aber die Augen vor einer derartigen Situation zu verschließen, ist wohl genau der falsche Weg. Ich denke, dass viel zu viele Menschen einfach zu schnell wegsehen.

Joseph, ein Palästinenser, der seine gesamte Kindheit in Hebron verbrachte, nahm uns mit in sein Zuhause, das direkt unterhalb einer der israelischen Siedlungen liegt, wo er uns vieles über das Leben der Palästinenser erzählte. Seitdem die Siedlungen hier errichtet wurden, kann er sein Haus nicht mehr von der Straße aus erreichen, denn Palästinenser dürfen diese Straße nicht mehr nutzen. Mit seiner Familie muss er über Hinterhöfe und Mauern klettern, um in sein Haus zu gelangen, eine andere Alternative gibt es nicht. Die Stadt ist von einigen extremistischen Siedlern besetzt, die es sich zur Hauptaufgabe gemacht haben, die Palästinenser so lange zu malträtieren, bis sie freiwillig ihr Land verlassen.

Ich fragte Joseph, warum denn so viele Netze über den Gassen gespannt seien Hebron_8. „Wir machen das, damit die Siedler ihren Müll nicht in unsere Gärten werfen. Das ist inzwischen ganz normal für uns.“

Etwas anderes, was er mir erzählte, hat mich wirklich schockiert und lässt mir noch heute keine Ruhe: Die Siedler machen selbst vor Josephs Familie keinen Halt. Seine Frau Myriam hat bereits zwei Fehlgeburten erlitten, nachdem sie von den Siedlern angegriffen wurde. Sein Sohn Ahmed streckte mir seinen eingegipsten Arm entgegen und erzählte, dass er auf dem Heimweg von der Schule von zwei Siedlerkindern geschubst, bespuckt und getreten worden sei. Solche Übergriffe geschehen immer wieder, auch wenn die Schulkinder in der Regel von Mitarbeitern internationaler Organisationen auf ihrem Schulweg begleitet werden.

Von seinem Freund Hassan berichtet er, dass sein Vater vor einigen Monaten starb. Nach langem Kampf wurde es ihm endlich gestattet, eine Totenwache für ihn zu halten. Als sie auf dem Weg zur Beerdigung eine der zahlreichen Militärkontrollen passieren mussten, wurde die Armbanduhr seines toten Vaters zerschlagen und man brach dem leblosen Körper dabei den Arm.

Ich musste schlucken. All diese Geschichten des Alltags klingen für mich nach einem furchtbaren Szenario aus einem Fernsehfilm. Wie kann es sein, dass hier so offensichtlich gegen Menschenrechte verstoßen wird, niemand eingreift und die Zeit einfach so weiterläuft?

Wenn ich mir heute die Bilder unserer Reise anschaue, dann fällt mir das nicht leicht. Palästina war für mich eine der aufregendsten Reisen, die mein Inneres sehr geprägt haben. Hebron_9Selten habe ich so ausgesprochen gastfreundliche und liebenswerte Menschen getroffen wie dort. Es ist wichtig, dass Menschen nach Hebron und in andere Gebiete Palästinas kommen und mehr über die Situation der Menschen hier erfahren.

Ich habe mit vielen hier gesprochen und aufmerksam ihren Geschichten gelauscht, sowohl die der Palästinenser, als auch die der Israelis. Etwas ganz Essentielles konnte ich aus den Geschichten beider Parteien heraushören, nämlich dass sich beide ein friedliches Miteinander wünschen. Unser palästinensischer Guide sagte uns „Ich habe kein Problem mit Israelis, viele von ihnen sind meine Freunde. Die, die sich bekämpfen, das ist nur die Minderheit. Wir nennen sie töricht und man darf auf keinen Fall denken, dass alle Menschen hier so denken.“

 

Und so verlasse ich das Land mit einer tiefen Verbundenheit und Gefühlen der eigenen Ohnmacht, und dennoch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass eines Tages eine Lösung für diese verfahrene Situation gefunden wird. Denn auch ich träume von Frieden…

M. Klinkhammer