Skurriles und Wissenswertes - ein Streifzug durch Edinburgh

Skurriles und Wissenswertes - ein Streifzug durch Edinburgh

Ankunft in Edinburgh. 420.000 Einwohner. Wunderschön gelegen auf mehreren Bergen. Von einigen Straßen aus kann man in der Ferne das Meer sehen und auf der andern Seite hat man Blick auf Edinburgh Castle, das von seinem Berg aus die Stadt überragt. Viele mittelalterliche Bauten gemischt mit dem Prunk einer im 19. Jahrhundert zu Wohlstand gekommenen Bürgerlichkeit.

Von Edinburgh Castle aus führt die Royal Mile genau eine Meile bergabwärts, entlang vieler mittelalterlicher Bauten, Kirchen, Friedhöfe und Monumente, bis hinab zum Hollyroadhouse, dem Palast der Königsfamilie - sofern anwesend. Edinburgh muss Vorbild für die Städte gewesen sein, die H.P. Lovecraft in seinen Schauerromanen schilderte.


 

Im Mittelalter engste Gassen, die von der Royal Mile talabwärts führten. Die Häuser in einigen dieser Gassen wurden bis zu einer bestimmten Höhe abgetragen und auf diesen Ruinen mit den City Chambers überbaut.
Das Besondere: unter den City Chambers existieren diese Gassen noch immer - seit 250 Jahren unangetastet. Diese Gassen kann man im Rahmen einer Führung besuchen. Wie auf der Insel üblich, geht es dabei nicht nur um historisch Korrektes, sondern auch viel um Absonderliches und morbid Lustiges. Es wird zunächst geschildert wie es sich in einer Gasse von ca. 1,70 Metern Breite, einer sechsgeschossigen Bebauung, mit kaum Licht und Luft zum atmen, lebte. 201409031
Die Lebensläufe einiger Menschen die dort ihr Dasein fristeten, werden geschildert und in einem Kamin gibt es eine witzige Animation einer Gruselgeschichte zu sehen. Wir gehen durch viele originalgetreu eingerichtete Räume mit Figuren in mittelalterlicher Kleidung. Sehr auffällig ist eine seltsame Gestalt, die von Kopf bis Fuß in Leder gehüllt ist und eine vogelartige Maske trägt, deren langer Schnabel mit gut riechenden Kräutern gefüllt war: ein Pest-Doktor.

In einem der Räume sieht man ein Fenster über und über angefüllt mit Spielzeug. Dafür gibt es eine selbstverständliche Erklärung: in diesem Fenster erschien vor einigen Jahren regelmäßig der Geist eines Kindes, das sich darüber beklagte, keine Puppe mehr zu haben. Seit dieser Zeit legen Besucher immer wieder Puppen und Spielsachen dort ab. Nun hat die arme Seele hoffentlich endlich ihren Frieden gefunden. 

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Ein kleiner Abstecher führt uns zum malerischen Friedhof Greyfrias Kirkyard. Dort befindet sich ein ungewöhnliches Monument: das Denkmal eines kleinen Hundes (Skye Terrier) mit dem Namen „Greyfrias Bobby“. Dieser Hund verstarb am 14.1.1872, so steht es geschrieben. 1858 verstarb allerdings schon sein Herrchen, der Polizist John Gray. Von diesem Tag an verbrachte das Hündchen seine Zeit - immerhin 14 Jahre - an Johns Grab. Lediglich nach dem Abfeuern der Ein-Uhr-Kanone (was für eine Einrichtung!) begab sich das Tier zum nahegelegenen Coffee House, um dort etwas zu fressen abzustauben. Nach Bobbys Tod wurde er von den Edinburghern auf eben diesem Friedhof, der eigentlich Menschen vorbehalten sein sollte, in aller Heimlichkeit beigesetzt.Let his loyalty and devotion be a lesson us all” ist auf dem Denkmal, eigentlich dem Grabstein zu lesen. Durch diese Treue ist immerhin auch der Polizist - wie hieß er noch gleich - unvergesslich geworden.

Tief berührt verlassen wir diesen Ort, um in einem urigen Pub unseren ersten Haggis zu essen, jenes berühmte Gericht Schottlands: Schafsmagen mit Innereien gefüllt. Erstaunlicherweise schmeckt es eher vegetarisch da in Haggis sehr viel Hafermehl enthalten ist. Kenner wissen allerdings, dass Haggis nichts mit Schafen zu tun hat, sondern aus dem Haggistier gemacht wird. Dieses Tier kommt in den Highlands vor und hat, damit es besser am Hang stehen kann, auf der einen Seite kürzere Beine als an der anderen. Ähnlich wie bei links- und rechtsdrehendem Joghurt gibt es so auch links- bzw. rechtsstehende Tiere. Den Haggis runden wir mit einem modernen Nationalgericht ab - frittierter Mars-Schokoriegel. Auch das schmeckt gut, obwohl die Panade eine feine fischige Note hatte, wahrscheinlich durch Zubereitung in derselben Fritteuse in der auch die Fish'n Chips gemacht wurden. Meine Frage nach getrennten Fritteusen wird mit einem mystischen “Manche sagen so, manche so“ beantwortet - geheimnisvolles Schottland. P1080894

Mit dem Doppeldeckerbus fahren wir zurück zum Stadtteil Leith. Wir warten unter dem Uhrenturm des Balmoral Hotels auf den Bus. Der Erbauer diese Uhrenturms hatte eine sehr nützliche Idee. Da der Turm in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes steht, geht die Uhr seit nun über 100 Jahren stets um 4 Minuten vor. Das beugt verpassten Zügen vor. Ich mag solch einen Pragmatismus. Ein weiterer sehr positiver Eindruck: fast jeder, der den Bus verlässt, bedankt sich bei dem Fahrer.

Leith ist einer jener hafennahen Stadtteile die, in den 70er und 80er Jahren ein Schattendasein führten, und nun in neuen Glanz erstrahlen. Rund um das malerische Hafenbecken gibt es viele kleine Cafés und Restaurants, lauschige Kanäle und alte Lagerhallen, in denen sich nun Büros und Lofts befinden. Den Geruch des nahen Meeres in der Nase treffen wir auf ein junges, kulturelles Leben, denn die Mieten sind dort noch nicht so extrem hoch wie in Edinburgh City. In Leith befindet sich auch unser Hotel. Ganz in der Nähe ankert die Royal Yacht „Britannia“, die 83. königliche Yacht Britanniens, Baujahr 1950 - immerhin stattliche 126 Meter lang. Auch hier wurde praktisch gedacht. An der Reling befinden sich Windabweiser, so dass bei eventuellen Böen keine königlichen Schlüpfer zu sehen sind. 


Abends nehmen wir unser Dinner im „Roseleaf“ direkt um die Ecke von unserem Hotel ein. Dieses Restaurant ist in einem kruden 19 Jahrhundert-Mix sehr liebevoll eingerichtet. Cocktails heißen dort Cockteas und werden in antiken Teekännchen serviert. Die Speisekarten wurden in alte Ausgaben der Zeitschrift National Geographic eingeheftet. P1080917An den Wänden hängen Hüte aus allen Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts. Erstgäste wie wir werden damit zur allgemeinen und auch unserer Belustigung dekoriert. Reihum wechseln wir unsere Hüte. Erstaunlich wie ein Hut einen Menschen verändert. Unser Fahrer Gus, ein wahrer Bilderbuchschotte mit Kilt, Stiefeln und Vollbart trägt nun einen ascotwürdigen Damenhut auf dem Kopf und gibt dabei noch etwas zum schottischen Pragmatismus zum Besten. Wir erfahren von ihm, dass es fast ausschließlich Schotten waren, die mit ihren Erfindungen das 20. Jahrhundert erst möglich gemacht haben. Um nur Einige zu nennen: Algorithmus, Telefon und Fernsehen. Fernsehen? Braucht man dafür nicht eine Röhre? Und heißt diese Röhre nicht Braunsche Röhre? Kam der Herr Braun aus Schottland? Nun gut, der Whisky schmeckt, das Essen ist vorzüglich und die Stimmung ausgelassen. Vergnügt geht es zurück zum Hotel. Das Fenster ist geöffnet und bei frischer Meeresbrise schläft man tief und fest, bereit für die kommenden Wanderungen und Abenteuer.

Thomas Lüttger

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