Chile - Tanz auf dem Vulkan

Chile - Tanz auf dem Vulkan

06:30 Uhr: wir treffen uns im Büro der Agentur , um heute auf den 2.847m hohen Vulkan Villarica in Pucòn, Chile zu steigen.

Schon auf der Fahrt von Temuco nach Pucón habe ich gemerkt wie meine Aufregung wächst. Der Villarica ist ein aktiver Vulkan im gleichnamigen Nationalpark und ich möchte ihn unbedingt besteigen, um einmal in den Schlund des rauchenden Berges zu schauen.
Schon am Abend zuvor haben wir uns mit unserem Guide Ricardo in der Agentur getroffen, um die notwendigen Utensilien zusammen zu suchen: passende Schuhe müssen her, eine wasserdichte dicke Überhose und Jacke, Steigeisen, Eispickel, Handschuhe, Rucksack – all das wird gestellt, so dass ich mich nur noch um meine persönlichen Dinge kümmern muss. Abends streife ich noch ein wenig durch die Straßen und Gassen des Städtchen und besorge mir kleine Flaschen Wasser, Sandwichs und Schokolade für den Aufstieg. Ich versuche früh schlafen zu gehen, denn um 05:30 schmeißt mich der Wecker wieder aus dem warmen Bett.

DSCF3454_AB_FOCUnd jetzt stehe ich hier zusammen mit zwei Australiern, zwei Brasilianerinnen und unseren beiden Guides und wir besprechen den möglichen Aufstieg, denn das Wetter ist sehr unbeständig, so dass noch nicht feststeht, ob wir wirklich nach oben gehen können.

Der Plan ist folgender: Zunächst fahren wir mit dem Bus in den Nationalpark bis zur Skistation auf 1.400, dann wird geschaut, ob der Lift offen ist und uns auf ca. 1.882m bringen kann. Allerdings ist der Lift nur bei gutem Wetter in Betrieb – ansonsten müssen diese fünfhundert Höhenmeter ebenfalls zu Fuß bewältigt werden.

Gesagt getan – wir kommen zusammen mit drei weiteren Gruppen an der Skistation an: Nebel über Nebel, um ehrlich zu sein man sieht nichts – ich kann nur erahnen in welcher Richtung der Vulkan eigentlich liegt. Okay – die Fahrt mit dem Lift hat sich erledigt, hier bewegt sich keine einzige Gondel – kein Wunder bei dieser Waschküchensuppe. Eine Gruppe steigt umgehend wieder in den Wagen und kehrt nach Pucón zurück, wir anderen bleiben etwas ratlos zurück.
Ricardo erklärt uns, dass wir uns nun entscheiden müssen. Wenn wir den Trek beginnen, dann wird auch der komplette Betrag für die Tour fällig, egal, ob man den Gipfel erreicht oder nicht. Entscheiden wir uns hier abzubrechen, dann müssen wir nur einen kleinen Obolus für den Transport bezahlen. Den Australiern bleibt nur der heutige Tag, da Sie morgen schon wieder weiterreisen – Sie entscheiden, sie wollen den Aufstieg wagen, auch die Brasilianerinnen sind dabei – also entscheide ich mich auch dafür und unsere kleine Truppe setzt sich in Bewegung. Ricardo schlägt ein langsames Tempo an. Schritt für Schritt bahnen wir uns den Weg durch Sand und schon lange erkaltetes Lavageröll und erklimmen Höhenmeter um Höhenmeter. Alle halbe Stunde gibt es eine kleine Pause, Wasser trinken, Jacke aus, Jacke an – zum Schluss bleibt es bei Jacke an, denn die Temperaturen werden doch nun merklich kühler.

DSCF3385_AB_FOC1Der Anblick der Schuhe und des Hosensaums meines Vordermanns sind mir mittlerweile sehr vertraut, denn ich versuche stets in seine Fußstapfen zu treten, um die von ihm vorgefertigten Tritte möglichst gut ausnutzen zu können. Plötzlich stoppt Ricardo, denn wir sind an der Schneegrenze angekommen und jetzt heißt es Steigeisen anlegen. Nicht das ich wüsste wie das geht, aber die Guides prüfen bei jedem den richtigen Sitz der Steigeisen, damit auch alle sicher dem von Ricardo gespurten Weg folgen können.
Das Wetter hat sich noch nicht wesentlich verbessert, allerdings gibt es schon einige Wolkenlücken, aus denen die Sonne ab und an hervorblitzt. Bald haben wir das Ende des Skiliftes erreicht und einige Höhenmeter weiter haben wir die Wolkendecke durchbrochen – wir stehen im schönsten Sonnenlicht. Um und herum glitzert und blinkt der Schnee und der Blick auf den majestätischen Gipfel des Vulkans ist endlich freigegeben. Dreieinhalb Stunden soll er noch entfernt sein – ich kann es kaum glauben, den er sieht zum greifen nah aus. Wir machen unsere erste richtige Pause: Brote und Sunblocker werden ausgepackt und wir sind erstaunt zu sehen, wie steil dieser Berg eigentlich ist. Ich mit meiner Höhenangst, mag mir gar nicht vorstellen, wie ich hier heile wieder runter kommen soll.... Schnell schiebe ich den Gedanken wieder beiseite und denke: erstmal oben ankommen, dann sehen wir wie ich wieder runterkomme.
Die beiden Brasilianerinnen sind ein wenig abgeschlagen und kommen jetzt auch mit Ignacio zum Pausenplatz und genießen den Ausblick auf die Wolkendecke von oben. Bevor es uns zu kalt werden kann geht es weiter. Stets die Technik des Steigeisengehens nutzend und den Eispickel in bergzugewanten Seite der Hand gehen wir mal in Serpentinen, mal steil bergan dem Gipfel entgegen. Wir kommen wir an faszinierenden Eisformationen vorbei und endlosen Schneefeldern. Gott sei Dank habe ich meine Sonnenbrille eingepackt, den ohne einen Lichtschutz für die Augen, würden diese sicherlich am Abend brennen und schmerzen. Es ist mir kaum möglich Fotos zu schießen, da ich auf dem Display meiner Kamera nichts erkennen kann, was ich eigentlich ins Visier genommen habe – also heißt es Bilder auf gut Glück und schauen, was dabei raus kommt.

Ignacio und die beiden Frauen aus Brasilien sind mittlerweile weit abgeschlagen. Und dann erhält Ricardo die Nachricht via Funk, dass sie abgebrochen haben und nun wieder absteigen.

- Schluck! Die Möglichkeit abzubrechen ist mit Ignacios Abstieg für mich nicht mehr möglich und wir sind noch lange nicht oben. Aber die anderen beruhigen mich und Ricardo motiviert seine arg geschrumpfte Gruppe für den weiteren Weg nach oben.

DSCF3379_AB_FOC_1Das steilste Stück liegt vor uns, aber auch die letzte halbe Stunde des Aufstiegs. Ein Fünkchen Euphorie glimmt in mir auf. Das steilste Stück – egal! Wenn ich es bis hierher geschafft habe, dann auch bis ganz oben! Und eine halbe Stunde später ist es dann soweit: wir haben den Kraterrand des Villarica erreicht. Unglaublich! Dicker Rauch steigt aus dem riesigen Schlund des Vulkans auf und wir stehen ehrfurchtsvoll davor. Doch dann bekommt die Euphorie die Überhand und wir fallen uns jubelnd in die Arme – wir sind oben angekommen in 5:40 Stunden Aufstieg und fast 1.500 Höhenmetern in den Beinen.

Um uns herum ist nichts – ein wunderbares weißes Nichts aus Wolken, strahlend blauen Himmel und natürlich dem schneebedeckten, rauchenden Villarica. Am Horizont sieht man einen andern Vulkan, den ca. 3000m hohen Llaima. Einfach unbeschreiblich. Ich kann nicht genug bekommen von dieser unglaublichen Kulisse und schaue und schaue.... Doch dann heißt es Bilder machen, was essen und trinken, denn wir können nicht ewig hier oben bleiben.

Dann folgt das wovor ich fast noch mehr Respekt hatte als vor dem Aufstieg: der Abstieg. Allerdings gestaltet der sich dann doch anders wie gedacht. In unserm Rucksack befindet sich ein extra Hosenbodenschutz und eine flache Schlittenschale und unter großen Juchee geht es den Vulkan teils auf dem Hosenboden, teils auf der Schlittenschale rutschend und schlingernd wieder runter.Ich hätte es nie gedacht, aber es war ein Riesenspaß für alle! Noch voller Adrenalin haben wir die Schneegrenze wieder erreicht und müssen leider die restliche Strecke bis zur Skistation zu Fuß zurück legen.

Zurück in der Agentur haben wir die gelungene Besteigung des Villarica stilvoll mit einem chilenischen Bier begossen und doch ein wenig stolz unsere 'Urkunde' entgegen genommen – eine schöne Erinnerung an eine eine tolle Gruppe, super Guides und eine echte Vulkanbesteigung!

Und jetzt geht’s ab in eine der zahlreichen heißen Themen in der Umgebung – Muskelkater vorbeugen...

Andrea Surberg

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