Japan - Zwischen Schrein und Moderne
Ich habe mich immer wieder gefragt, wie das wohl zusammenpasst. Mittendrin, zwischen Wolkenkratzern mit ihren Glasfassaden und schrillen Werbetafeln, findest du sie, die Inseln, die da so gar nicht hinpassen wollen. Rituell waschen sich junge Japaner an der Waschstelle zuerst die linke Hand, dann die rechte Hand, danach den Mund und erneut die linke Hand, werfen eine Münze in die Kiste, läuten, sofern vorhanden, die Glocke und tragen ihre Wünsche vor, nachdem sie sich verbeugt und in die Hände geklatscht haben. Da dies offenbar noch nicht reicht, werden auf kleinen Holzbrettern, den Ema, die sie zuvor an den Verkaufsständen erworben haben, die Wünsche aufgeschrieben und an den dafür vorgesehenen Wänden aufgehängt, in der Hoffnung, dass sie in Erfüllung gehen. Hier am Schrein sind die Japaner fröhlich und ausgelassen. Erstaunlich viele tragen die traditionelle Kleidung - ganz im Gegensatz zu der korrekt schwarz/grau gekleideten Menschenschlange, die sich, einem Lindwurm gleich, durch Tokios Geschäftsviertel zieht. Kein Abfall wird achtlos weggeworfen, Rauchen ist sowieso in der Öffentlichkeit nur an bestimmten Plätzen erlaubt, nichts wird dem Zufall überlassen.
Auf Treppen und Bahnhöfen weisen Pfeile die Richtung in die du gehen sollst. Aufgezeichnete Fußabdrücke sagen dir, an welcher Stelle du auf dem Bahnsteig auf den Zug warten sollst. Und komischerweise funktioniert dies auf den Punkt genau. Der Zug hält genau dort wo du stehst und die Menschenmenge, die sich in zirka 3 Minuten aus und in den Zug begibt, schafft dies ohne Rempeln, ohne Schimpfen. Und dann sitzen oder stehen sie in der Metro oder dem Bus, jeder starr auf sein Handy schauend. E-Mails checkend und Manga-Comics lesend. Kein Telefonklingeln, nur ab und an eine Ansage aus dem Lautsprecher, der nächste Halt, und natürlich immer wieder die Mahnung zur Vorsicht.
Schaffner verbeugen sich höflich wenn sie das Abteil betreten und verlassen. Im Shinkansen rauscht mit 300 km/h die Landschaft an dir vorbei, kaum das du bemerkst, dass sich der Zug bewegt.
Tradition und Moderne verschmelzen zu einer für Europäer sich in ein paar Wochen kaum erschließenden Welt. Zu kurz, nur mal eingetaucht – fasziniert. Wunderbare Tempel und Schreine, beeindruckende Landschaften, andere Traditionen und Gepflogenheiten, ein anderes Miteinander, ein Land, das entdeckt werden will.
Japan – so unglaublich angenehm und vor allem absolut sicher. Obwohl du in einer riesigen Menschenmenge bist, spürst du sie nicht. Leise sind sie, nur nicht auffallen, jeder hält sich an die Regeln, doch sobald du Hilfe brachst, dann sind sie da, zeigen dir sofort auf dem Handy den Weg oder weichen nicht von deiner Seite, bis sie gewiss sind, dass du versorgt bist.
Birgit Thiel
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